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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 09.08.2000
Aktenzeichen: 2 Ws 102/00
Rechtsgebiete: StGB, StPO
Vorschriften:
StGB § 306a | |
StGB § 22 | |
StGB § 23 | |
StGB § 25 Abs. 2 | |
StPO § 55 | |
StPO § 310 Abs. 1 | |
StPO § 70 Abs. 2 | |
StPO § 161 a Abs. 2 | |
StPO § 52 Abs. 1 | |
StPO § 55 Abs. 1 |
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS
5/17 Qs 59/00 (Landgericht Frankfurt am Main)
In dem Ermittlungsverfahren gegen ... wegen Verdachts einer Straftat nach den §§ 306a, 22, 23, 25 Abs. 2 StGB hier: Anordnung von Erzwingungshaft gegen den Zeugen ...
hat das Oberlandesgerichts Frankfurt am Main 2. Strafsenat auf die weitere Beschwerde des Zeugen ... gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt a. M. 17. Strafkammer vom 4.7.2000 am 9.8.2000 beschlossen:
Tenor:
Die weitere Beschwerde wird als unzulässig verworfen, soweit sie die Auferlegung der Ordnungshaft betrifft.
Soweit dich die weitere Beschwerde gegen die Anordnung der Haft von bis zu sechs Monaten zur Erzwingung des Zeugnisses richtet, wird sie als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Zeuge zu tragen.
Gründe:
Am 16.1.2000 wurde anläßlich der Festnahme des Beschuldigten ... festgestellt, daß dieser im Besitz eines ... Reisepasses und eines Presseausweises auf den Namen ... war. Der sichergestellte Reisepaß war lediglich hinsichtlich des darin enthaltenen Verlängerungsstempels gefälscht, ansonsten aber echt. Weitere Ermittlungsergebnisse erhärteten den Verdacht des BKA gemäß dessen schriftlicher Bewertung vom 7.3.2000, daß der Reisepaß dem Beschuldigten überlassen wurde, entweder durch ... selbst oder durch dritte Personen.
Im Rahmen seiner zeugenschaftlichen Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main am 10.3.2000, bei der er anwaltlich vertreten war, verweigerte ... auf die Fragen, wann er den Paß beantragt und erhalten habe sowie wann und wofür er diesen zuletzt benutzt habe, ohne Nennen eines Grundes die Aussage. Daraufhin setzte die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt am Main durch Bescheid vom 10.3.2000 gegen ihn ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000,-- DM fest. Seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung wies das Landgericht Frankfurt am Main durch Beschluß vom 20.4.2000 zurück.
Am 16.5.2000 sollte ... im Beistand seiner Anwältin erneut bei der Staatsanwaltschaft als Zeuge vernommen werden. Auf die Frage, in welchem Zeitraum er den Reisepaß beantragt und erhalten habe, erklärte er, diese und sämtliche weitere Fragen unter Berufung auf § 55 StPO nicht beantworten zu wollen. Daraufhin beantragte die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt am Main, gegen den Zeugen wegen unberechtigter Verweigerung der Aussage fünf Tage Ordnungshaft zu verhängen und zur Erzwingung des Zeugnisses Haft von sechs Monaten anzuordnen. Das Amtsgericht Frankfurt am Main wies den Antrag durch Beschluß vom 2.6.2000 zurück. Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft hin hob das Landgericht Frankfurt am Main durch Beschluß vom 4.7.2000 den Beschluß des Amtsgerichts auf und ordnete gegen den Zeugen wegen unberechtigter Aussageverweigerung am 16.5.2000 vor der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main fünf Tage Ordnungshaft und zur Erzwingung des Zeugnisses Haft von bis zu sechs Monaten an. Hiergegen richtet sich die am 25.7.2000 eingegangene weitere Beschwerde des Zeugen vom gleichen Tage. Die weitere Beschwerde ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Anordnung von Ordnungshaft richtet (§ 310 Abs. 1, 2 StPO). Ersatzordnungshaft kann nicht unter den Begriff der Verhaftung im Sinne des § 310 Abs. 1 StPO eingeordnet werden. Denn sie wird nur für den Fall festgesetzt, daß das an sich zunächst zu verhängende Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann. Sie ist somit ein bloßer Annex der eigentlich das Ordnungsgeld betreffenden Entscheidung (vgl. BGH, NJW 1989, 2703; 1998, 462; OLG Frankfurt a.M., Beschluß vom 18.8.1999 - 2 Ws 99/99 -).
Die weitere Beschwerde des Zeugen ist dagegen zulässig, soweit sie sich gegen die Anordnung von Erzwingungshaft gemäß den §§ 70 Abs. 2, 161 a Abs. 2 StPO richtet. Erzwingungshaft ist ebenso wie Untersuchungshaft eine gesetzlich zugelassene Beschränkung des durch die Art. 2 Abs. 2 und Art. 104 Abs. 1 GG verbürgten Freiheitsrechte des Betroffenen. In ihrer Eingriffsintensität ist sie dem Vollzug von Untersuchungshaft vergleichbar. Vorschriften, die das gerichtliche Verfahren einer Freiheitsbeschränkung regeln, müssen so ausgelegt werden, daß das Ergebnis der Auslegung der Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf persönliche Freiheit Rechnung trägt; dies spricht für die Beschwerdefähigkeit eines bis zur Dauer von sechs Monaten zulässigen Freiheitsentzuges (vgl. BGH, NJW 1989, 2702 ff; OLG Frankfurt a.M., a.a.O., m.w.N.).
Die danach insoweit zulässige weitere Beschwerde hat aber in der Sache keinen Erfolg. Der Zeuge war zur Verweigerung der Auskunft auf die oben genannten Frage, in welchem Zeitraum er den ... Reisepaß beantragt und erhalten habe, nicht berechtigt; ebenso war er nicht berechtigt, die Beantwortung sämtlicher weiterer Fragen, die gegebenenfalls noch gestellt würden, zu verweigern. Denn es ist nicht ersichtlich, daß ihm oder einem Angehörigen gemäß § 52 Abs. 1 StPO die Beantwortung die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden (§ 55 Abs. 1 StPO). Zwar bestand und besteht der Verdacht, daß gegebenenfalls der Zeuge ... selbst die betreffenden Unterlagen dem Beschuldigten ... zur Verfügung gestellt hat, um diesen vor Verfolgung zu schützen. Daraus ergibt sich aber kein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht, sondern nur ein Aus- kunftsverweigerungsrecht bezüglich bestimmter, die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 StPO jeweils erfüllender Fragen.
Die Entscheidung über die Verfolgungsgefahr im Sinne des § 55 Abs. 1 StPO trifft nicht der Zeuge selbst, da es sich um eine Rechtsfrage handelt. Eine schuldhafte Verletzung der gesetzlichen Zeugnisverweigerungspflicht liegt schon deshalb vor, weil das Landgericht Frankfurt am Main bereits bei vergleichbarer Sachlage durch Beschluß vom 20.4.2000 die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen ihn bestätigt hatte. Für eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bestehen keinerlei Anhaltspunkte.
Der Zeuge hat die Kosten seines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 473 Abs. 1 StPO).
Ende der Entscheidung
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